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Sonntag, Januar 14, 2007

Spirou + Fantasio Bd. 47: Spirou in Tokio

InDeeVee: Januar 2007

von Jean David Morvan (Autor), José-Luis Munuera (Zeichnungen) und Christian Lerolle (Farben). Erschienen bei Carlsen Comics; 9€; ISBN: 978-3-551-77457-6, Dezember 2006.

Oh, guter alter Spirou… da bist du nun schon seit 1938 auf Achse und wirkst immer noch so gesund und munter wie eh und je. Hast bereits die halbe Welt umreist und gesehen, interessante Bekannte getroffen (huba!) und einer der größten Comickünstler aller Zeiten (gemeint ist natürlich der große und viel zu früh verstorbene André Franquin… Erfinder des Marsupilamis, Gaston und der Schwarzen Gedanken), hat jahrelang wunderbare Abenteuer für dich zu Papier gebracht. Was hast du diesem kleinen, miesen Kolumnenverfasser schon für Freuden bereitet und wirst auch zu Recht in einem Atemzug mit Asterix, Lucky Luke und Tintin genannt.

Doch, hast dich gut gehalten und nach zwei Modernisierungsversuchen haben deine derzeitigen Schreiberlinge wohl den Draht zu dir gefunden und schicken dich, deine besten Freund Fantasio und das Eichhörnchen Pip nach…

„KANEEEEDAAAAAA!!!“

… Tokio.

Natürlich war Spirou dort schon mal, doch meist war ihm und seinen Freunden nur ein kurzes Gastspiel dort vergönnt. Nun verbringt er also ein ganzes Album dort.
Wer die Figur noch nicht kennt – bei Spirou handelt es sich um einen jungen Mann im Pagenkostüm, erschaffen von Robert „Rob-Vel“ Velter, freundlich, schlau, gerissen und reisefreudig, der Abenteuer in aller Welt besteht. Dabei geht es oftmals turbulent zu, dafür sorgen schon seine zahlreichen Freunde und Begleiter.
Nun findet der Leser unsere Helden also im Land der aufgehenden Sonne wieder. Und da geht es direkt zur Sache – in einer furiosen Actionsequenz versuchen Spirou, Fantasio und Pip, ein kleines Mädchen namens Loon aus den Krallen eines Yakuzas zu befreien, der zudem noch ihren Bruder Kow gefangen hält. Doch die Geschwister haben es in sich, verfügen sie doch über telekinetische Fähigkeiten und stellen damit eine gefährliche Waffe dar.
Was folgt, sind weitere Verfolgungsszenen, Martial-Arts-Kämpfe, eine Schlacht und ein waschechter Kampf Mecha gegen Monster.

Der puristische Albenleser fragt sich vermutlich spätestens jetzt, ob er noch bei seiner so geliebten Serie ist, oder in Japans Hauptstadt irgendwo eine falsche Abbiegung genommen hat.
Nun ja, atemberaubende Actionszenen sind ja nun nichts neues, wussten Morvan und Munuera doch schon in ihrem Erstling „Flut über Paris“ (Bd. 45) in der Richtung zu überzeugen, aber hier trägt man doch schon etwas sehr dick auf.
Aber das verzeiht man spielend, denn der Band macht dadurch einfach Spaß wie Bolle.
Morvan wird dem Zahn der Zahn gerecht, denn auch wenn die Manga bei unseren französischen Nachbarn noch nicht den Markt beherrschen, so sind sie auch dort längst kein Nischenprodukt mehr. Wie begegnet man nun dieser Konkurrenz? Verfasst man eine vor Hass gegen die ungeliebten Ausländer schwelende Geschichte wie den neuesten Asterix (Gallien in Gefahr) und liefert damit eher ein peinliches, engstirniges Resultat ab oder umarmt man diese für uns relativ neue Erzählform und macht sich ihre Eigenarten zunutze. Dass es durchaus funktionieren kann, beweisen schon Serien wie Sillage oder Sky Doll und da Morvan ebenfalls erstere Serie verfasst, sollte klar sein, welchen Weg er gegangen ist.
Natürlich dürften die zahlreichen Anspielungen auf Manga und Anime wie Naruto, Ranma, Cowboy Bebop, Ultraman oder Lupin III nicht fehlen. Auch die Sieben Samurai finden ihre Erwähnung, genau wie der bekannteste Holzschnitt des Künstlers Hokusai (dem wir letztendlich die Manga zu verdanken haben).

Doch nicht nur vor der japanischen (Pop)kultur verneigt der Autor sich, denn wie man es von den zwei Vorgängerbänden gewohnt ist, gräbt er tief in der Geschichte der Comicreihe und fördert Figuren zu Tage, die man das letzte Mal vor etlichen Jahren gesehen hat – Itoh Kata und seine Freund nämlich. Dies ist natürlich ein weiterer Pluspunkt.

Auch oder gerade auf der zeichnerischen Ebene stimmt in diesem Band fast alles. Natürlich hat er sich von einem der modernen Klassiker schlechthin, …

„TETSUOOOOOO!!!“

Akira natürlich, inspirieren lassen. Das zeigt sich vor allem an Seite 47, zugleich eine wunderbare Hommage an Katsuhiro Otomo und mit einem der beeindruckensten Panels des ganzen Bandes versehen, welches einen wohligen Schauer zu erzeugen vermag.
Vom Seitenlayout und den „Kamera“einstellungen her kommt man sich aber auch ohne weiteres vor, als hätte man ein Crossover mit Spoon & White (von Vater und Sohn Leturgíe) verpasst – schnell „geschnitten“, hektisch und cooles Waffenspiel. Nur nicht so brutal.
Aber auch in den ruhigen und eher witzigen Momenten kann Munuera vollend überzeugen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte Kolorist Christian Lerolle, der es spielend schafft, Munueras Zeichnungen mit einer schönen, dezenten, stimmigen und stimmungsvollen Farbpalette aufzuwerten. Von knalli-bunti Farben bleiben wir zum Glück verschont.

Der Band ist sicherlich sehr gut, spaßig und äußerst kurzweilig und noch einmal einen Tick besser als „Der Mann, der nicht sterben wollte“ (Bd. 46), aber der beste ist er natürlich nicht. Dafür haben Franquin, sowie Tome & Janry zu zeitlose Abenteuer verfasst.
Zudem ist die Handlung aufgrund der mangaorientierten Erzählweise vergleichsweise dünn und der Band trotz 60 Seiten recht schnell beendet. Sein Geld ist er allemal mehr als wert und „unser“ Held scheint bei M&M in den richtigen Händen zu sein. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Abenteuer!

Und vielleicht schafft er ja den Brückenschlag, mehr Albenleser auf die wunderbare Welt der Manga aufmerksam zu machen, die diese ja gerne als Feindbild sehen und für die schlechten Verkaufszahlen „ihrer“ Frankobelgier“ verantwortlich machen.
Aber auch andersrum wäre es natürlich wünschenswert, wenn die Mangaleser mal neues Territorium erkunden würden und bei diesem Band ist das sehr einfach, da er sehr einsteigerfreundlich ist.

Apropos Manga: Morvan hat zusammen mit dem jungen Künstler Hiroyuki Ooshima einen waschechten Manga kreiert, zu dem innerhalb des Bandes auch eine gelungene Überleitung geschaffen wurde. Bleibt nur zu hoffen, daß auch diese Geschichte den deutschen Lesern nicht vorenthalten bleibt.

Björn Steckmeier a.k.a. Der Grammaton Kleriker