Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Samstag, August 12, 2006

Skarbek

InDeeVee: August 2006

Geschrieben von Yves Sente, gezeichnet von Grzegorz Rosinski. Band 1 : Hände aus Gold (Deux mains d'or), ISBN: 3-937102-38-8, April 2006; Band 2: Herz aus Bronze (Un coeur de bronze), ISBN: 3-93-7102-39-6, Mai 2006. Je €14,95/56 Seiten.


Saint-Malo, 1843. Der Graf Mieszko Skarbek ist zurück. Zurück, um Rache zu nehmen. Denn Skarbek ist in Wirklichkeit der Maler Louis Paulus, der verraten und scheinbar vernichtet wurde. Vor Jahren lernt er als Jüngling seine Muse Magdalena kennen und lieben, doch die Habgier eines Mannes namens Northbrook war sein Ende. Von Rachegedanken besessen, tüftelt er mit Magdalena und zwei Männern, die er fest in seiner Hand hat, einen perfiden Plan aus, der Northbrook ruinieren soll, der vom Wert von Paulus’ Bildern lebt.
Er kommt zu einem Gerichtsprozess, der Ungeheuerliches zutage bringt… doch nicht immer ist alles so, wie es scheint!

„La vengeance du comte Skarbek“ ist eine zweiteilige Miniserie aus der Feder von Yves Sente und Grzegorz Rosinski, die von 2004 bis 2005 im französischen Verlag Dargaud erschien.

Was sich hier erst als ein Rachethriller auftut, dann zu einem Gerichtsdrama wird und letztendlich als waschechtes Piratenabenteuer durchgeht, ist eine famose Erzählung, unheimlich dicht und atmosphärisch geschrieben und in wunderschönen, manchmal düsteren, manchmal traumhaft schönen Bildern gemalt.
Dabei gelingt es Sente besonders im zweiten Band einen Plottwist nach dem nächsten einzubauen, der den Leser eiskalt erwischt, aber auch etwas verwirrt.
Bei der Stimmungserzeugung steht Rosinski Sente in nichts nach. Der Band sprüht nur so vor Emotionen, seien es brutale Mordgelüste, unendliche Gier oder schwüle Erotik. Diese Reihe lässt den Leser Teil eines einzigartigen Abenteuers sein.
Rosinski ist die perfekte Wahl als Zeichner. Seine Frauen sind himmlisch, seine Segelschiffe atemberaubend und seine Insellandschaften malerisch schön.

Yves Sente, Baujahr 1964, ist den deutschen Lesern sicherlich am ehesten durch die Fortsetzungen von E.P. Jacobs Serie Blake und Mortimer bekannt, die hierzulande im Carlsen Verlag erscheinen.
Grzegorz Rosinskis Name dürfte vor allem Fantasy-Fans geläufig sein. Der gebürtige Pole, Jahrgang 1941, ist schon seit Jahren mit dem Klassiker Thorgal im Programm von Carlsen vertreten. Auch Die große Macht des kleinen Schninkel (ebenfalls bei Carlsen) stammt aus seiner Feder.

Die deutsche Ausgabe erschien 2006 bei Schreiber & Leser und erfolgte dem Original entsprechend in zwei überformatigen Hardcoverbänden und kann eine erstklassige Verarbeitung vorweisen.

Der Grammaton Kleriker a.k.a. Björn Steckmeiner
InDeeVee - April 2006: Mail Order Bride

InDeeVee - Mai 2006: Schönheitsflecken
InDeeVee - Juni 2006: Jon Sable
InDeeVee - Juli 2006: Lady Snowblood

Fables: Storybook of Love TPB 3

Written by Bill Willingham pencils by Mark Buckingham (Vertigo). Deutsch: Fables Legends in Exile TPB 1 (PaniniComics Deutschland, in Vorbereitung).

Die Hauptdarsteller dieser aussergewöhnlichen Serie sind ‚Fabelwesen’ und verfügen deshalb über besondere Fähigkeiten. So kann sich z.B. Bigby in einen riesigen Wolf verwandeln oder den Nordwind beherrschen. Dennoch bin ich mittlerweile zum Schluss gekommen, dass sich der Autor nicht auf das Fantastische konzentriert, sondern vor allem auf das Mondäne. Die Fables leben wie wir, sie lieben wie wir und vor allem hadern sie wie wir. Als Flüchtlinge in unserer Welt müssen sie sich von ihrem früheren Weltbild verabschieden, denn sie sind eine Gemeinschaft, eine Einheit und diese lässt sich nicht mehr in Gut/Böse oder Schwarz/Weiss aufteilen.

Der dritte Band beinhaltet mehrer Handlungsstränge, wobei das Geschehen klar in Haupt- und Nebenschauplätze aufgeteilt wird. Bill Willingham gestaltet die Serie jedoch zeitlich nicht linear, was man unter anderem an den häufigen Rückblenden erkennt, die sich auf einzelne Figuren konzentrieren. „Storybook of love“ beginnt mit einem solchen Flashback. Darin wird erzählt, wie Jack (Hans im Glück) sich auf ein riskantes Spiel mit dem Teufel eingelassen und später sogar den guten alten Sensenmann austrickst hat. Anschliessend widmet sich der Autor wieder der Gegenwart und erzählt wie die Fables einen Reporter - der damit droht ihr Geheimnis zu lüften - davon „überzeugen“, es lieber sein zu lassen. Der Kern dieses Trade Paper Back liegt jedoch - wie der Titel es schon erahnen lässt - in einer Liebesbeziehung, die sich schon seit dem ersten Heft angedeutet hat, nämlich das Verhältnis zwischen Bigby und Snow White (Schneewittchen). Es wird die Leser jedoch erstaunen, dass sich diese Beziehung unter vollkommen aussergewöhnlichen Umständen entwickelt, sodass eine romantische Stimmung nicht recht aufzukommen vermag.

Der Zeichner, Mark Buckingham, schwingt wieder den Bleistift und macht seine Arbeit gewohnt ordentlich. Erwartet jedoch kein aussergewöhnliches Artwork, denn die Bilder sind sehr zweckorientiert und wirken trotz des Detailreichtums eher neutral. Willingham vermag jedoch weiterhin durch seine grandiose Erzählkunst zu begeistern. Seine Art, die Figuren differenziert zu charakterisieren und dabei nicht zu langweilen zeugt von grossem Talent, welches er hoffentlich noch lange mit „Fables“ unter Beweis stellen darf.

8/10
Lamond
Review zu Fables: Legends in Exile TPB 1 von Idur.

Mittwoch, August 09, 2006

Kaines Top 5: Juli 2006

Ohne bestimmte Reihenfolge, aber mit Spoilern.

Daredevil # 87 Marvel $2.99 written by Ed Brubaker, Art by Michael Lark & Stefano Gaudiano 26.07.06
„The Devil In Cell Block D, Finale“ Mit dem Finale seiner ersten Story liefert Brubaker die erwartete Enthüllung, einige Antworten, einige neue Fragen und eine handfeste Überraschung. Zudem zeigt er auf engstem Raum sein Verständnis für den Hintergrund der Figuren. Eine Seite mit Murdock und Castle reicht Brubaker, um zu zeigen das sie sich zusammenraufen können und ein gewisser professioneller Respekt besteht. Aber die Beiden werden nie Freunde werden. Der Gefängnisdirektor von Rykers macht eine interessante und nachvollziehbare Entwicklung durch. Genauso nachvollziehbar ist die Identität des neuen Daredevil. All diese Entwicklungen fügt Brubaker harmonisch in die Story ein und treibt Murdock immer weiter auf die Suche nach den Hintermännern. Lark und Gaudiano haben zwar im letzten Monat bewiesen, das sie auch bei reinen Action-Ausgaben nicht fehl am Platz sind, aber hier, wo mehr Wert auf Atmosphäre gelegt wird, kommen die Zeichnungen wesentlich besser zur Geltung.


Captain America # 20 Marvel $2.99 written by Ed Brubaker, Art by Steve Epting 26.07.06
„Twenty-First Century Blitz, Part Three“ Captain America, Union Jack und Spitfire versuchen, trotz allenfalls vager Hinweise, Lukins Anschlag auf London zu verhindern. Auch Winter Soldier und Crossbones nähern sich ihren Zielen. Da alle dasselbe Ziel haben, nämlich Lukin, steuert alles auf ein großes Aufeinanderprallen zu. Doch Lukin hat noch eine Geheimwaffe in petto. Die beweist zum einen, dass Lukin seinen Gegenspielern wie üblich einen Schritt voraus ist; zum anderen, dass Brubaker hier, genau wie bei Daredevil, seine Storys ordentlich vorausplant und nichts dem Zufall überlässt. Brubaker treibt die Charaktere nachvollziehbar vorwärts und jede überraschende Wendung läßt im nachhinein die Hinweise sichtbar werden. Epting setzt das Ganze gewohnt gekonnt in passende Zeichnungen um.


Loveless # 9 Vertigo $2.99 written by Brian Azzarello, Art by Marcelo Frusin 26.07.06
„Thicker than Blackwater, Part One“ Mit Beginn der zweiten längeren Story lebt Wes sich in seine neue Rolle als Sheriff ein. Was zuerst einmal heißt, dass er die Bürger von Blackwater verärgert. Doch ein grausamer Mörder, der möglicherweise eine Verbindung zu ihm hat, beschert Wes seinen ersten richtigen Fall. Daneben baut Azzarello in Ruhe weitere Storybögen auf: die fortgesetzte Unterdrückung von Schwarzen, die gewalttätigen Streifzüge besiegter Südstaatler und die Vorbehalte gegenüber Cutters Auftraggebern aus dem Norden. Der insgesamt recht langsame Aufbau wird von Frusin atmosphärisch überzeugend in Szene gesetzt.


Exterminators # 7 Vertigo $2.99 written by Simon Oliver, pencils by Tony Moore, inks by Tony Moore, Ande Parks & Sean Parsons 12.07.06
„Insurgency, Part Two“ Während die Bugs sich im Untergrund organisieren, ist Henry ziemlich beschäftigt. Er verliert seine Freundin, stellt Nachforschungen über die geheimnisvolle Box an und erfährt eher unfreiwillig mehr über das Privatleben seiner Arbeitskollegen. Wie schon in der ersten Story sammelt sich die wahre Bedrohung mehr im Hintergrund und Oliver treibt die Charakterisierung der Figuren voran. Dabei läßt er sich viel Zeit und legt mehr Wert auf einen gründlichen Aufbau, als auf eine schnelle Lösung. Tony Moore überträgt die Stimmung der Story gekonnt, aber gerade seine sonstige Stärke bei der Darstellung der Kakerlaken und Ratten kommt diesmal nicht wie gewohnt zur Geltung.


Fear Agent # 6 Image $2.99 written by Rick Remender and Steve Niles (Backup-Story), Art by Jerome Opena and Ej Su (Backup-Story) 26.07.06
Mit der üblichen Mischung aus Fun und Action schafft es Heath die größte Bedrohung der Menschheit schon in der Vergangenheit zu besiegen. Doch neben schmerzlichen Verlusten sorgt die Lösung dieses Problems gleichzeitig für ein neues. Remender läßt Heath Huston weiter von einem Abenteuer ins nächste stolpern, ohne ihm eine Verschnaufpause zu gönnen. Dabei bedient er sich bewußt jedem Klischee der Science-Fiction Unterhaltung, das ihm einfällt, um es mit der passenden Portion Humor einzubauen. Auf der Zeichnerseite fügt sich Opena immer besser in die Story ein und entwickelt sich zu einem würdigen Nachfolger für Tony Moore. Die Backup-Story von Niles und Su ist ganz nett, nicht mehr und nicht weniger, wobei das für Niles etwas enttäuschend ist.

Kaine

Sonntag, August 06, 2006

Decimation: The 198 TPB

DECIMATION REVIEWS

Written by David Hine, pencils by Jim Muniz (Marvel). Deutsch: "X-Men Sonderheft 7: 198" (PaniniComics Deutschland, 10.8.2006).
























Entgegen allen, die Deadly Genesis zur Decimation-Hauptserie erklären, ist es in Wahrheit THE 198, die den Kern des Events auf den Punkt bringt. Zwar hat Deadly Genesis die Aufmerksamkeit mehr als verdient, dank des zukünftigen Uncanny-Teams und natürlich des brisanten Rückgriffs auf Giant-Size 1, aber in Decimation geht es um völlig andere Dinge. Und darüber erfahren wir mehr in THE 198. Die Ausgangslage wurde schon im DAY AFTER herbeigeführt. Somit erleben wir in David Hines’ 5-teiliger Mini-Serie das Xavier-Institut im Ausnahmezustand. 198 Mutanten verschiedenster Herkunft und mit unterschiedlichsten Mutationen suchen Asyl im einzig bekannten Zentrum für Mutanten. Das Institut wird zum „Schutz“ – oder zur Kontrolle? - der Bewohner von Sentinels bewacht, deren Führung Val Cooper innehält. Vals Oberkommando wiederum möchte zu gerne eine Liste haben, wen man denn da eigentlich beschützt. Und schließlich ist es eh leichter, den zu beschützen, den man kontrolliert. Wer erinnert sich noch an den Mutant Registration Act zu Beginn der 200er Uncannies? Welcome back. Das Xavier-Institut verwandelt sich in einen Hexenkessel, der schon zu Beginn verdächtig brodelt, seine Leitung steht so sehr zwischen den Stühlen, dass man das Kreativteam nur beglückwünschen kann, dem Leitmotiv der X-Serien (Ausgrenzung und der Weg in eine finstere Zukunft) eine so auf den Punkt gebrachte Steigerung verpasst zu haben. Ein paar Dinge sollte man wissen, wenn man noch unentschlossen ist, vor allem als Deutschleser:

1. THE 198 ist im Grunde der legitime Nachfolger der Reihe District X, die während HoM als MUTOPIA weiter- und scheinbar zu Ende geführt wurde. Eine hervorragende Serie, in der Bishop mit einem Polizisten zusammen, kein Mutant, X-Fälle bearbeitete. Grandioses Storytelling war hier garantiert und der rote Faden wurde verkörpert durch einen geheimnisvollen, älteren Herrn mit Bogart-Hut und Trenchcoat, und mit sehr mächtigen Fähigkeiten, Mister M. Eben dieser Herr taucht in 198 auch im Institut auf und übernimmt wie schon im Vorgänger sehr schnell eine Hauptrolle.

2. Ähnlich wie Generation M greift The 198 tief in die Kiste der X-Serien und holt verschollene Personen und Ereignisse wieder nach oben. Die Ausgangssituation scheint bedrohlich in Richtung Days of Future Past zu treiben. Dann sehen wir Magma und Empath wieder, deren „Beziehung“ seinerzeit in den New Mutants begann, als Emma Frost noch Leiterin der Massachussetts Academy war, und die hier einen wesentlichen Teilstrang abgibt. District X hatte ich ja schon erwähnt und zwischen den Zelten, in denen die 198 die Nächte verbringen, lauern noch einige weitere Bekannte und Erinnerungen.

3. Aufgrund des Schauplatzes gibt es mehrere Deja Vus, da in den adjektivlosen X-Men der Anknüpfungspunkt an Day After ebenfalls nahtlos war und Milligans Run quasi parallel am selben Ort stattfindet. Hier wie dort Sentinels, Asyl-Mutanten und Val Cooper.

Dennoch bleibt die Eigenständigkeit der Mini-Serie gewahrt, dank des engen Fokus auf die 198 Mutanten, die im Institut ihr Auffanglager fanden. Die Zeichnungen von Jim Muniz sind sehr schön und atmosphärisch, obwohl der Gute bei Gesichtern noch etwas üben könnte. Unterm Strich eine äußerst lohnenswerte Serie und ein wesentlicher, oder DER wesentliche Bestandteil von DECIMATION. Achtung, letzte Meldung: Nichts endet für immer, und so wird auch diese Story weitergeführt und zwar in „Civil War: X-Men 1-4“.

8/10

(Keine 10, weil Generation M noch besser ist und keine 9, weil die Zeichnungen einen Tick besser hätten sein können.)

Christian a.k.a. Exphilosoph
Review zu DECIMATION: X-MEN - THE DAY AFTER TPB von Lamond.
Review zu DECIMATION: GENERATION M von EXPHILOSOPH.
Review zu WOLVERINE: ORIGINS & ENDINGS von EXPHILOSOPH.

Daredevil: The Murdock Papers TPB 13

Written by Brian M. Bendis, pencils by Alex Maleev (Marvel). Deutsch: „Daredevil“ (Panini Comics Deutschland).






























Seit einem Jahr kündigte sich das Ende des Bendis Runs an; die Geschichten liessen die alte Frische vermissen und obwohl sie immer noch zu unterhalten wussten, waren sie dennoch von einer erschreckenden Belanglosigkeit. Doch nun ist es soweit, Brian M. Bendis schliesst sein langjähriges Projekt ab. Ich muss gestehen, dass ich eigentlich schon seit der letzten Storyline – eine unfreiwillige Hommage an das goldene Zeitalter des Absurden – mit Bendis’ Run abgeschlossen hatte und mich bereits auf Ed Brubaker und Michael Lark, das neue Kreativteam, freute.

Matt geht es seit langem wieder richtig gut. Das FBI hat die rechtliche Verfolgung aufgegeben, die Presse hat nach monatelanger Belagerung von ihm abgelassen, seine Ehefrau Milla ist zu ihm zurückgekehrt und Daredevil war bei der New Yorker Bevölkerung nie beliebter. Ach, ist das Leben nicht schön? So versöhnlich sich das alles anhört, sollten wir nicht vergessen, wer über das Schicksal unseres gehörnten Helden bestimmt. Seit der Autor die Serie übernommen hat, leidet Daredevil Höllenqualen, die Dantes Inferno wie einen Ausflug nach Disney Land aussehen lassen.

Natürlich trügt der anfängliche Schein und während sich Matt und Milla in einem Hotelzimmer „versöhnen“, braut sich hinter den Kulissen der Sturm zusammen, der sein Leben endgültig ins Chaos zu stürzen wird. Ein alter Widersacher, der inhaftierte Wilson Fisk, ist bereit dem FBI nun doch die Beweise zu liefern, die ihnen bisher fehlten um die wahre Identität des Vigilanten Daredevil nachzuweisen.

Da der Kingpin sein Vorhaben der Presse gesteckt hat, sind alle Betroffenen vorgewarnt und so beginnt ein rasanter Wettlauf gegen die Zeit um den vermeintlich unabwendbaren Untergang unseres Helden in letzter Minute doch noch zu verhindern.

Auf die Frage ob der Abschied nun gelungen ist, kann ich nur antworten, dass Bendis uns die bei weitem beste Storyline eines ohnehin grandiosen Runs geboten hat. „The Murdock Papers“ ist eine dichte, wohl überlegte und erstaunlich kompromisslose Geschichte, welche beweist, dass der Autor, ähnlich wie der Titelheld, ein „man without fear“ ist. Über Maleevs Artwork muss man nicht weiter diskutieren, der Mann ist ein Meister seines Fachs. Das atmosphärische Artwork hat diesen düsteren und charakterorientierten Run überhaupt erst ermöglicht.

Bei so einem hervorragenden Abschluss kann einem das zukünftige Kreativteam beinahe leid tun, denn wenn man eine intakte Serie wie „Daredevil“ übernimmt, kann man grundsätzlich nur verlieren. Anderseits zweifelt mittlerweile kaum noch jemand an Brubakers und Larks schier unerschöpflichen Talent und deshalb sollte man diese Serienübernahme vor allem als eine Herausforderung verstehen. Doch noch ist es nicht so weit und so bleibt für mich nichts weiter zu tun als diese Besprechung mit der bestmöglichen Bewertung abzuschliessen.

10/10
Lamond
Review zu Daredevil: Ein Überblick von Lamond.

Madrox: Multiple Choice TPB

Written by Peter David, pencils by Pablo Raimondi (Marvel). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Kennt ihr diese Situationen, in denen ihr euch am liebsten Ohrfeigen würdet? Habt ihr auch schon Momente erlebt, in denen ihr euch geistig selbst auf die Schulter geklopft habt? Nun, man nennt dieses „Phänomen“, bei welchen man sich selbst beobachtet und beurteilt „Selbstreflexion“ und während sie bei uns meist nur gedanklicher Natur ist, muss Jamie Madrox jederzeit damit rechnen, dass ihm einer seiner vielen „Ichs“ tatsächlich ohrfeigt, auf die Schulter klopft oder beides in umgekehrter Reihenfolge.

Jamie Madrox ist ein Mutant und Mitglied der Mutantengruppe X-Factor. Er arbeitet als Privatdetektiv und geniesst es sichtlich, jedes einzelne „Film noir“ - Klischee auszuleben. Seine Mutantenfähigkeit besteht darin, dass er sich, sobald er sich irgendwo stösst, in unbegrenzter Zahl vervielfältigen kann. Die dabei entstehenden Doppelgänger sind aber nur äusserlich identisch. Charakterlich widerspiegeln sie lediglich einzelne Aspekte von Madrox’ Persönlichkeit wie z.B. dessen selbstkritisches Ich, dessen gleichgültiges Ich oder dessen feiges Ich. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass diese Fähigkeit stark zwischen Gabe und Handicap schwankt.

Jamie ist sich der Ambivalenz dieser Mutation sehr wohl bewusst. Infolgedessen pflegt er einen äusserst vorsichtigen aber dennoch sehr systematischen Umgang mit seinen Kräften. So hat er mehrere seiner „Dupes“ in die Welt hinausgeschickt um Wissen und Erfahrungen zu sammeln, von denen er, sobald er die Kopien wieder in sich aufnimmt, selbst profitiert. Geduldig wartet unser Mutanten-Detektiv in seinem Büro auf seine wiederkehrenden Ichs und auf seinen ersten Fall und wie es der Zufall so will erhält er beides in einem. Von da an, begibt sich Jamie auf die Suche nach seinem eigenen Mörder.

Man hätte keinen besseren Autor für diese Mini-Serie finden können als Peter David. Dieser erlebt momentan seinen zweiten Frühling und liefert mit Madrox eine der meist inspirierten Comics aus 2005. Peter David gehört zur „alten“ Generation der Marvel Schreiberlinge, nicht jedoch zum alten Eisen. Der Unterschied zwischen David und dem aktuellen Autorenkreis liegt darin, dass ersterer kein Spezialist sondern ein Allrounder ist. Er kann alles und zwar auf hohem Niveau: So hat er nicht nur hervorragende Ideen, sondern kann sie auch entsprechend umsetzen. Er weiss wie man interessante Dialoge schreibt, ist jedoch nicht darauf beschränkt. David hält in seinen Storys ein Gleichgewicht, wie man es heutzutage nur noch selten im Superhelden Genre sieht.

Pablo Raimondis Zeichnungen erinnern mich in dieser Ausgabe sehr stark an Toni Harris’ Arbeit bei Brian K. Vaughans Ex Machina. Sehr detailreich und trotzdem nicht ganz so photorealistisch. Die Schattierung ist markant, jedoch passt sie hervorragend zur düsteren Grundstimmung der Geschichte. Leider fehlt es den Bildern manchmal etwas an Dynamik.

„Madrox“ trifft den Nerv des Lesers, indem Peter David elegant mit den absurden Fähigkeiten der Hauptfigur spielt und diese Elemente schliesslich völlig natürlich in die Geschehnisse einfliessen lässt. So entwickelt sich im Endeffekt eine Geschichte, die irgendwo zwischen Krimi, Superhelden-Action und schwarzer Komödie anzusiedeln ist und einen zufrieden lächelnden Leser zurücklässt, der sich wünscht, dass die Nachfolge-Serie „X-Factor“ nur annähernd so gut wie diese Mini ist.

10/10
Lamond